VIRTUELLE REALITÄT
ODER DIE 5. DIMENSION

Der Betrachter läßt seinen Blick über das altägyptische Theben schweifen, nähert sich der Stadt und betritt sie durch die mächtigen Stadttore. Gemächlich schreitet er durch die Straßen und sieht sich die herrlichen Paläste und Tempel an, betritt den Marktplatz und schreitet auf den Tempel der Osiris zu. Die goldenen Tore des Tempels öffnen sich und die Kamera fliegt in den Tempel, erforscht Nischen und nähert sich dem prächtigen Altar.

Die Kamera? Der Betrachter? Ist dies das Drehbuch zu einem Hollywoodfilm oder die Vorlage zu einem Roman? Nein! Es passiert jetzt und heute, in unserer Welt! In der Welt der Computer, auf einem Monitor oder Fernsehschirm! Ein Schlagwort geistert durch die gängigen Fachzeitschriften, läßt uns aufhorchen und die Frage stellen, was ist das, was ist Virtual Reality? Virtual Reality bedeutet, aus dem Englischen übersetzt, scheinbare Realität und hier ist die Übersetzung ausnahmsweise richtig. Es ist wirklich eine Art Realität, möglich gemacht durch die enorme Rechenleistung der Computer unserer Zeit. Nun ist das alles zwar recht eindrucksvoll und schön, aber müssen wir uns nicht die Frage stellen, wozu das alles? Ist Virtual Reality nur ein netter Gag, der den Besitzern von Spielautomatenhallen eine schöne Stange Geld einbringt, oder ein echter Schritt in die Zukunft? Ich denke, daß es sowohl das eine als auch das andere sein kann.

USS Enterprise. Ort des Geschehens ist ein Kriegsschauplatz irgendwo auf dieser Welt (ein Mangel herrscht ja wahrlich nicht). Die F14 Tomcat steht auf dem Flugdeck, bereit zum Start. Der Pilot checkt die Instrumente, wartet auf die Starterlaubnis. Jetzt! Der Tower gibt sein OK. Die Triebwerke heulen auf, die Beschleunigung drückt den Piloten in den Sitz. Die Maschine wird in den Himmel katapultiert! Der Carrier verschwindet allmählich hinter der F14. Absolute Freiheit in den unendlichen Weiten des Himmels! Schnell noch den Kurs in den Navigationscomputer eingegeben, und schon bist du alleine. Allein mit dir und den Elementen! Du drehst Loopings, läßt die Maschine jede nur erdenkliche Figur fliegen! Der Himmel gehört Dir! Die Welt gleitet elegant an dir vorbei. Du empfindest ein Kribbeln in der Magengrube. Irgendwo da draußen lauert der Feind (wer auch immer das sein mag).

Da! Zuerst ist es nur ein kleiner Punkt auf dem Radarschirm, aber rasend schnell jagt der silbrig glänzende Jäger auf deine Maschine zu! Jetzt gilt es, schneller zu sein als der Gegner! Das Ziel im HUD fixieren, die Waffen wählen und Feuer frei! Dein Radar meldet dir keine feindlichen Raketen! Dein Herzschlag beruhigt sich. Schaurig schön hebt sich das Orangerot der Explosion vom tiefblauen Himmel ab. Deine Mission ist erfüllt! Abdrehen und Kurs auf den Träger! Du landest, nach einem präzisen Landeanflug, sicher auf der USS Enterprise. Du steigst aus der Virtualitymaschine und erntest erstaunte Ahs und Ohs der Schaulustigen, die den Automaten belagern. Es war alles nur ein Spiel!

Wie schön wäre es doch, wenn die Mächtigen dieser Welt bei einem Konflikt in solch eine Maschine steigen würden und die Sache auf spielerischem Wege klären könnten. Niemand bräuchte dabei zu sterben, und Spaß machts obendrein! Es wäre eine ganz wunderbare Art, Kriege total in den Computer zu verbannen und somit ein wirklich großer Schritt in die Zukunft, jedoch bezweifle ich sehr, daß wir das je erleben werden. Soweit zu einem Aspekt der künstlichen Realität.

Nun zu einem meiner bescheidenen Meinung nach auch nicht unerheblichen Aspekt.

Der Mensch ist bekanntermaßen ein gar intelligentes Lebewesen (oder nicht?). Wir sind ständig bemüht, uns das Leben zu erleichtern. Das erklärte Ziel eines jeden von uns ist ein eigenes, gemütliches Heim. Die Familienidylle! Ganz warm wirds einem da ums Herz! Ein Haus im Grünen, wo die Bächlein gluckern und die Vöglein zwitschern (wie lange noch, frage ich, wie lange noch?).

Schaffe, schaffe, Häusle baue! So lautet ein Sprichwort unseres nördlich gelegenen, etwas größeren Nachbarn. Wir tun dies auch mit Begeisterung, jedoch ein Problem stellt sich uns immer wieder. Der Herr Architekt blickt sachkundig auf den Plan, und vor seinem geistigen Auge entsteht, klar und deutlich, ein plastisches Bild des Hauses. Nun ist aber nicht jeder Mensch mit einer dreidimensionalen Vorstellungskraft ausgestattet. Viele von uns wollen Dinge berühren, um sie zu verstehen oder um sie sich vorstellen zu können. Was hat das alles mit Virtual Reality zu tun?

Hier ist die Lösung!

Tätaretää!!! Vorhang auf, jetzt kommts! Angenommen, der Wunsch reift in der Seele eines Menschen, sich ein Haus zu bauen. Angenommen, er hat das Geld (ein herzlicher Gruß an alle Banken und Bausparkassen). Angenommen, er betritt das Büro eines Architekten oder das einer Firma für Fertigteilhäuser. "Ich hätte gerne ein Haus” sagt der Konsument. "Welches denn und was darfs kosten” fragt der Anbieter. Ein Katalog mit bunten Bildern wird aus der Lade gezaubert, und schon kann der Konsument sich sein Traumhaus aussuchen. Pläne werden hergezeigt und der Angestellte versucht, so gut wie möglich, alles zu erklären. Das Haus wird gebaut, der Käufer zieht ein und alles scheint in bester Ordnung zu sein. Wirklich alles? Auf einem Stück Papier kann man sich nicht gerade ein gutes Bild davon machen, wie das Haus wirklich aussieht, und wenn es erst steht, sind nachträgliche Veränderungen lästig und sehr teuer. Stellen wir uns das ganze mit Virtual Reality vor. Derselbe Kunde möchte ein Haus kaufen, auch ihm werden Pläne gezeigt, aber damit nicht genug. Er kann sich sein Haus auf einem Computer bereits jetzt ansehen. Mittels Datenhandschuh und Helm kann er es betreten, bevor es gebaut wird. Er kann Türen öffnen, Zimmer betreten und so tun, als wäre dies bereits sein reales Haus. Er kann es plastisch erleben, ja vielleicht sogar einrichten (wenn die Firma über eine genügend große Objektbibliothek von Einrichtungsgegenständen verfügt). Ein Sesselchen dort und einen Tisch da bitte sehr. Vor den Augen des Kunden entsteht sein Haus, dreidimensional und beinahe real. Viele Planungsfehler könnten so bereits im Ansatz vermieden werden. Aber nicht nur beim Bau eines einzelnen Hauses, auch bei der Planung ganzer Stadtviertel oder Bürohäuser, könnten so sicherlich gravierende Fehler vermieden werden. Welch ein Segen könnte Virtual Reality sein, es liegt nur an uns, diese neue Technik richtig zu nutzen.

Aber nicht nur noch nicht bestehende Dinge könnten mit Virtual Reality greifbar gemacht werden, auch längst Vergangenes könnte wieder zu elektronischem Leben erweckt werden.

Ein Archäologe könnte, nach alten Plänen, ein längst zerstörtes Bauwerk rekonstruieren. Er könnte es betreten, Jahrhunderte nachdem es zerstört wurde, und vielleicht wichtige Erkenntnisse für seine Forschungen gewinnen. Astronauten könnten, mittels geeigneter Simulationssoftware, das Leben an Bord eines Raumschiffes erproben. Die Anwendungsmöglichkeiten scheinen mir fast grenzenlos, es liegt an uns , etwas daraus zu machen.

Alles nur Fantasie und Science Fiction? Leonardo da Vinci und Jules Vernes wurden von ihren Zeitgenossen verhöhnt und verspottet. Flugapparate, Unterseeboote und Raumschiffe! Was für ein Unsinn! Könnten sie sehen, was heute so alles zur See, auf dem Lande und in der Luft kreucht und fleucht, die Zweifler würden verstummen und ihre Augen würden nicht fassen, was sie da sehen. Es könnte uns ähnlich gehen!

(DER)




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